Die Reggio-Pädagogik hat ihren Ursprung in der italienischen Stadt Reggio Emilia. Das Besondere an diesem pädagogischen Konzept: Es stellt ein sehr positives und selbstbestimmtes Bild vom Kind in den Mittelpunkt.
Die Kinder entscheiden sehr eigenverantwortlich über ihren Kindergartenalltag. Trotz dieser positiven Grundgedanken erntet der Reggio-Kindergarten auch viel Kritik.
Vor- und Nachteile im Überblick
Der Reggio-Kindergarten: Die Grundelemente des pädagogischen Konzepts
In der italienischen Stadt Reggio Emilia entstanden bereits kurz nach dem zweiten Weltkrieg die ersten Reggio-Kitas. In den 1970er Jahren hat der Lehrer Loris Malaguzzi die Kernelemente des Reggio-Konzeptes weiterentwickelt.
Die Kinder dürfen in der Reggio-Pädagogik selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen, was sie spielen oder was sie lernen möchten. Es gibt keinerlei Vorgaben.
Das Bild vom Kind in der Reggio-Pädagogik legt zugrunde, dass die Kinder von selbst bereit sind, ihre Umwelt neugierig zu erkunden und lernen möchten.
Jedes Kind wird in seiner Individualität unterstützt und bringt seine Stärken ein. Es gibt keine Vorgaben zum Tagesablauf und keine vorgeschriebenen pädagogischen Angebote.
Die Fachkräfte bringen keine pädagogischen Angebote und Impulse ein. Sie stehen als Beobachter zur Seite und gehen auf Fragen und Anregungen der Kinder ein.
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Der Rahmen in der Reggio-Kita: Kreativität und Selbstbestimmung
Der pädagogische Alltag in einer reinen Reggio-Kita ist sehr speziell. Es gibt nur sehr wenige Kitas, welche die reine Reggio-Pädagogik ansetzen. Die Einrichtungen arbeiten ohne festen Tagesablauf, Strukturen und Rituale.
Im freien Rahmen sind meist folgende Elemente zu finden:
Es stehen viele Materialien zur Verfügung, mit denen die Kinder künstlerische, kreative und handwerkliche Projekte umsetzen können. Die Kunst steht als Förderziel damit im Mittelpunkt der Reggio-Pädagogik.
Damit die Kinder viele Anregungen erhalten, gibt es sehr viel unterschiedliches Spielmaterial. Allerdings wird auf vorgefertigtes Spielzeug weitgehend verzichtet. In der Reggio-Kita stehen stattdessen…
- Bauklötze
- Tücher
- Naturmaterialien
- freie Spielmaterialien
… im Fokus.
Auch in einem Reggio-Kindergarten sind Regeln des Zusammenlebens wichtig. Allerdings werden diese nicht vorgegeben, sondern die Kinder einigen sich gemeinsam auf Regeln, testen diese und passen sie bei Bedarf an.
Den Räumen der Kita wird viel Wert gegeben. Die Kinder sollen durch den Raum angeregt werden, sich wohlfühlen und sich darin frei entfalten können. Es stehen Rückzugsmöglichkeiten und Flächen für Aktivitäten aller Art zur Verfügung.
In Gesprächen entwickeln die Kinder eigene Projektideen, die anschließend umgesetzt werden. Jedes Kind kann seine Projektideen einbringen und an diesen arbeiten.
- Experimente
- Tänze
- kreative Arbeiten
Alle Projektwünsche werden nach Möglichkeit umgesetzt.
Die Kinder werden bei ihren Aktivitäten genau beobachtet und es wird sehr intensiv dokumentiert. Die Fachkräfte machen viele Fotos und dokumentieren diese auch an den Wänden der Kita: für die Kinder selbst und für die Eltern.
Die Kinder erhalten einen Rahmen, um sich regelmäßig auszutauschen, ihre Ideen mitzuteilen, die Regeln zu überdenken oder einfach miteinander zu kommunizieren.
Damit die Kinder sich in ihrer Gesamtheit positiv und selbstbestimmt entwickeln können, fußt das Reggio-Konzept auf einer engen Elternarbeit. Die ErzieherInnen tauschen sich sehr regelmäßig mit den Eltern über die Entwicklung aus und besprechen den notwendigen Rahmen für die persönliche Entwicklung des Kindes.
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Erziehung in der Stadt Reggio
Bei der Entstehung der Reggio-Pädagogik in der italienischen Stadt, waren nicht nur die Eltern und ErzieherInnen in die Förderung der Kinder eingebunden. Die gesamte Stadt unterstützte deren freie Entwicklung.
Die Handwerksbetriebe ermöglichten bei Interesse einzelner Kinder Einblicke oder unterstützten die Projektwünsche der Kinder. Deshalb ist auch heute in Deutschland die Elternarbeit und die Einbindung weiterer Erwachsener in das Reggio-Konzept von großer Bedeutung.
Meine persönliche Meinung: Zwischen Selbstbestimmung und Überforderung
Ich finde viele Elemente der Reggio-Pädagogik wichtig und wertvoll. Ich bin ein großer Fan von Partizipation und der absoluten Überzeugung, dass Kinder viel mehr nach ihrer Meinung, ihren Wünschen und ihren Bedürfnissen gefragt werden sollten.
Kinder entwickeln aus sich selbst heraus oft die besten Spiel- und Kreativideen und sollten darin bestärkt werden, diese umzusetzen. Ihre Meinung zur Essens- und Kleiderauswahl, zur Freizeitgestaltung und Jahresplanung ist wichtig und sollte sowohl in der Kita als auch zu Hause gehört und berücksichtigt werden.
Ich möchte nicht, dass unsere Kinder übergangen werden und vollkommen fremdbestimmt den Wünschen, Ideen und Vorgaben der Erwachsenen ausgesetzt sind. Ich bin sogar davon überzeugt, dass wir durch diese Fremdbestimmung Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern hervorrufen.
Die Reggio-Pädagogik setzt auf das andere Extrem und gibt den Kindern nahezu unbegrenzte Freiheit und Selbstbestimmung.
Ob dies der richtige Weg ist? Grundsätzlich gefällt mir dieses Extrem besser als das andere.
Aber: Ich sehe auch die große Gefahr, dass das Konzept die Kinder – insbesondere im Gruppenkontext – stark überfordern kann.
- Die schüchterne Anna traut sich vielleicht nicht ihre Projektwünsche auszusprechen, weil sie dafür manchmal von den Jungs der Kita ausgelacht wurde.
- Der lebhafte Marlon bräuchte mehr Ruhe und Struktur, kann sich diese aber nicht selbst geben oder das Bedürfnis danach benennen.
- Und der in sich ruhende Linus findet die selbst gesteuerten Gruppengespräche zwischen den lebendigen Kita-Kindern zu anstrengend und langwierig.
Meine abschließende Meinung zum Reggio-Kindergarten: Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Ich finde, Ansätze des Reggio-Konzeptes gehören in jede Kita.
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