Belohnungen sind verlockend und darüber hinaus erfolgversprechend – kein Wunder, dass Belohnungssysteme bei Kindern und Eltern sehr beliebt sind. Wer jedoch genauer hinter die Fassade blickt, erkennt schnell, dass die Belohnungen für Kinder auch Schattenseiten haben.
Jetzt fragst du dich bestimmt: „Was soll schon so ein harmloser Sticker anrichten können?“ Ich verrate es dir und gebe dir außerdem Tipps, wie du erwünschtes Verhalten langfristig förderst.
Belohnungssystem für Kinder: Das Wichtigste in Kürze
- Belohnungssysteme setzen auf positive Verstärker.
- Sie wurzeln in der Verhaltenstherapie.
- Das Tauschgeschäft mit gesammelten Stickern und Co. hat zahlreiche Nachteile.
- Belohnungssysteme untergraben vor allem die Motivation, die von innen heraus entsteht.
- Eine Alternative zum Belohnungssystem ist eine lösungsorientierte Herangehensweise, bei der viel Vertrauen herrscht.
Wie funktioniert ein Belohnungssystem für Kinder?
Um dem Nachwuchs Fehlverhalten aufzuzeigen und gewünschte Verhaltensmuster zu fördern, führen viele Eltern ein Belohnungssystem ein. Das Ganze funktioniert so: Du hängst eine Belohnungstafel auf, alternativ kannst du auch einen üblichen Wochenkalender nutzen.
Jedes Mal, wenn dein Kind ein erwünschtes Verhalten zeigt, beispielsweise das Zimmer aufräumt oder aufs Töpfchen geht, erhält es einen Aufkleber. Diesen Sticker klebt es nun an die entsprechende Position im Belohnungsplan.
Hat der Nachwuchs die vorher vereinbarte Stickeranzahl gesammelt, kann er die Errungenschaften in eine „echte“ Belohnung umtauschen. Viele Eltern bieten hier ein kleines Spielzeug als Tauschwert an.
Das Kinder-Belohnungssystem gibt es in vielen verschiedenen Varianten. So kann beispielsweise der Tauschgegenstand variieren – anstatt Aufklebern können auch Steinchen oder Murmeln zum Einsatz kommen.
Die Botschaft an das Kind bleibt aber immer gleich: „Wenn du das tust, was mir gefällt, dann erhältst du eine Belohnung.“ Ich wette, dieser Satz löst in dir schon ein komisches Gefühl in der Magengegend aus, oder? Lass uns nun herausfinden, welches Prinzip hinter dem Belohnungssystem für Kinder steckt.
Das Belohnungssystem hat seine Wurzeln in der Verhaltenstherapie
Kindern ein Tauschgeschäft anbieten – das hat sich nicht irgendein Elternteil irgendwann mal ausgedacht. Das Belohnungsprinzip beruht auf dem sogenannten Token-System, der englische Begriff „Token“ steht hier für Münze.
Das Token-System ist eine bewährte Therapiemethode in der Verhaltenstherapie. Psychologen machen sich hier die sogenannte operante Konditionierung zunutze. Dabei handelt es sich um ein Lernprinzip, das Lernen am Erfolg in den Mittelpunkt rückt.
Psychologen nehmen dabei an, dass das erwünschte Verhalten häufiger auftritt, wenn darauf ein angenehmer Zustand, zum Beispiel eine Belohnung, folgt. Die Token, also die Sticker, Murmeln oder Steinchen, dienen als positive Verstärker, weil sie den Zugang zur Belohnung erlauben.
Das Belohnungssystem ist nicht nur für den Nachwuchs gedacht. Token-Systeme kommen auch bei verhaltensauffälligen Erwachsenen oder in der Suchtbehandlung zum Einsatz.
Belohnungssysteme für Kleinkinder: das sind die Schattenseiten
Fröhlich dreinblickende Smileys, bunte Punkte oder kleine Magnete – manchmal kommen Kleinkinder bereits im Kindergarten mit einem Belohnungssystem in Berührung. Die Erzieher kleben beispielsweise für jeden Töpfchenbesuch oder wenn ein Kind ein neues Wort richtig ausspricht, einen Token auf.
Auch viele Lehrer oder Sozialpädagogen befürworten die Belohnungssysteme. Versteh mich nicht falsch: Belohnungssysteme sind nicht per se schlecht. Allerdings haben sie Schattenseiten.
Nachteile von Belohnungssystemen für Kinder:
Wenn die Kinder-Belohnungstafel an der Motivation nagt
Wenn du nach einer Belohnungstafel zum Ausdrucken im Internet suchst, dann wünscht du dir genau was?
Wahrscheinlich hast du die Vorstellung, dass du mit dem Belohnungsplan endlich für Ordnung im Alltag sorgst. Ganz konkret wünscht du dir, dass dein Kind sich an die Familienregeln hält, nicht wahr? Das ist natürlich verständlich.
Nachdem du einen Belohnungsplan gefunden hast, geht es an die Auswahl der Token. Bestimmt wählst du hier Sticker, die deinem Kind gefallen. Schließlich soll dein Nachwuchs auch voller Motivation mitarbeiten.
Genau an dieser Stelle gibt es ein phänomenales Problem. Wenn du ein Belohnungssystem für Kinder einsetzt, opferst du die sogenannte intrinsische Motivation ein Stück weit.
Zur Erklärung: Wir Menschen handeln auf Grundlage der intrinsischen Motivation oder der extrinsischen Motivation.
- Intrinsische Motivation: Sie entsteht von innen heraus und beruht auf dem eigenen Willen. Dein Kind räumt beispielsweise selbst das Zimmer auf, weil es sich eine ordentliche Umgebung wünscht.
- Extrinsische Motivation: Hier sind die Reize von außen entscheidend. Die Motivation entsteht also nicht aus dem Inneren heraus, sondern ist von äußeren Reizen wie Lob, Anerkennung oder Belohnungen abhängig.
Ist der Nachwuchs ständig mit starken äußeren Reizen (Belohnung) konfrontiert, kann sich nach und nach der eigene innere Antrieb reduzieren – das zeigen übrigens auch Studien.
Ja, dein Kind hilft dabei, die Spülmaschine auszuräumen. Allerdings nicht, um dich zu unterstützen, sondern für den Punkt auf dem Belohnungsplan.
Bei älteren Kindern können die Gefühle Achterbahn fahren
„Gut gemacht, heute hast du dein Hausaufgabenheft mit nach Hause gebracht “ sagt Mirjam und klebt ein kleines Herzchen in den Belohnungsplan. Ben zählt durch: „Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag – nur noch einen Tag muss ich schaffen Mama, dann gibt es eine Belohnung!“
In diesem Moment entstehen bei Mama und Sohn ganz unterschiedliche Gefühle – Mirjam ist stolz, während Ben ein komisches Gefühl im Bauch hat. Er hegt Zweifel: „Was ist, wenn ich es nicht schaffe, an mein Hausaufgabenheft zu denken? Freitags habe ich immer so viele Stunden und bin zu Schulschluss oft ganz durcheinander.“
Belohnungssysteme wirken nicht nur positiv
Fakt ist, Belohnungssysteme machen etwas mit unseren Kindern. Das, was wir sehen, sind oft die positiven Auswirkungen – der Nachwuchs denkt endlich an die Schulsachen.
In den Köpfen der Kinder spielt sich aber vieles ab, was der Belohnungsplan nicht zeigt. Sie hegen Selbstzweifel, sind unsicher und vielleicht sogar ein bisschen ängstlich.
Wir Erwachsenen machen uns oft keine Vorstellung davon, welche Wirkung der Satz: „Heute hast du leider keinen Smiley verdient“ auf Kinder hat.
Wann ein Belohnungssystem Sinn machen kann
Ich weiß, was du jetzt denkst: „Schon wieder etwas, was man nicht machen darf, dabei wäre so ein strukturierter Plan doch so eine tolle Lösung“. Zunächst einmal bleibt es natürlich dir überlassen, ob du ein Belohnungssystem einführst.
Wie bereits erwähnt, ist ein Belohnungssystem nicht per se schlecht, sondern kann dann schädlich sein, wenn es umfänglich zum Einsatz kommt. Sporadisch eingesetzt und nur für einzelne, nicht selbstverständliche Aufgaben, kann ein Belohnungssystem durchaus Sinn machen. Zum Beispiel, um dein Kind in der ersten Klasse zum Lesen üben zu motivieren.
Dafür kannst du folgende Regeln beherzigen:
- Definiere zunächst das Ziel: Was möchte ich mit dem Belohnungsplan erreichen?
- Setze erreichbare Ziele für dein Kind. Für Leseanfänger können fünf Minuten lesen schon sehr anstrengend sein.
- Erkläre deinem Kind die Regeln und hänge den Belohnungsplan gut sichtbar auf.
- Wähle eine angemessene Belohnung – kein Geld, besser auch keine Süßigkeiten, sondern eher Malstifte oder ein Schwimmbadbesuch.
- Vergiss nicht: Viel prägender als ein Belohnungsplan ist ein gutes Vorbild. Räum am besten auch selbst regelmäßig auf 😉
Alternativen zum Belohnungssystem für Kinder
Viel besser als ein Belohnungssystem ist die Detektivarbeit und die Suche nach einer gezielten Lösung. Wenn du dich mit dem Thema Belohnungssystem beschäftigst, gibt es etwas, was du dir von deinem Kind wünschst, aber nie oder selten erhältst.
Schreibe doch mal auf, was das ist. Im nächsten Schritt überlegst du dir, warum das eigentlich nicht klappt und welche Unterstützung dein Nachwuchs vielleicht benötigt, um das Verhalten zu zeigen. Nun begleitest du dein Kind, gibst ihm Rückmeldung, tauscht dich aus und hast Vertrauen.
Das Ganze klingt ein wenig abstrakt, deshalb hier ein Beispiel: Du wünschst dir, dass deine 6-jährige Tochter täglich das Zimmer aufräumt.
Ganz wichtig: Es geht nicht darum, dein Kind nach deinen Vorstellungen zu formen. Vielmehr ist das Ziel, deinem Nachwuchs Werte und Regeln zu vermitteln, die das Familienleben vereinfachen und ihm auch im späteren Leben helfen.
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- DocCheck Community GmbH: Operante Konditionierung, abgerufen am 04.01.2023
- Zentrum für integrative Förderung und Fortbildung: Token-System Mit Belohnungssystem zum Therapieziel, abgerufen am 04.01.2023
- 3. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Intrinsische und extrinsische Motivation, abgerufen am 04.01.2023
- Deci EL, Koestner R, Ryan RM. A meta-analytic review of experiments examining the effects of extrinsic rewards on intrinsic motivation. Psychol Bull. 1999 Nov;125(6):627-68; discussion 692-700. doi: 10.1037/0033-2909.125.6.627. PMID: 10589297.
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- Zeit-Online: Belohnen ist das neue Bestrafen, abgerufen am 04.01.2023
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