Die Reformpädagogin Maria Montessori hat in ihrem bekannten pädagogischen Bildungskonzept die sensiblen Phasen von Kindern beschrieben. Diese sind auch heute entwicklungspsychologisch bedeutsam.
Wer die sensiblen Phasen nach Montessori kennt, kann sein Kind aktiv in seiner Entwicklung fördern und unterstützen.
Sensible Phasen nach Montessori: Grundüberlegungen
Bevor die sensitiven Phasen nach Montessori genauer beschrieben werden, stellen wir uns kurz folgende Situation vor:
Eine Mutter bekommt ein Kind und kümmert sich liebevoll. Allerdings spricht die Mutter im Alltag kaum ein Wort mit ihrem Kind. Sie glaubt, dass das Kind ohnehin nicht versteht, was gesagt wird.
Das Kind hat ansonsten kaum Bezugspersonen und verbringt die ersten drei Jahre im häuslichen Umfeld ohne Kindertagesbetreuung.
Was glaubst du: Welche Konsequenzen hat das Verhalten der Mutter? Anhand dieses Beispiels, das ich in der Berufspraxis leider tatsächlich erlebt habe, wird der Gedanken von Maria Montessori zu den sensiblen Phasen deutlich.
Das Kind ist mit seinen drei Jahren sprachlich weit hinter dem Entwicklungsziel:
Laut Maria Montessori gibt es während der Entwicklung eines Kindes sensitive Phasen. Innerhalb dieser Phasen ist das Kind ganz besonders bereit dafür, bestimmte Entwicklungsschritte zu gehen und Lerninhalte aufzunehmen.
Ist die Phase vorbei, ist es wesentlich mühsamer, die verpassten Fähigkeiten zu lernen.
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Die vier Montessori Phasen im Überblick
Die Reformpädagogin Montessori hat in ihren Werken und Ausführungen 4 unterschiedliche Phasen beschrieben. Diese erstrecken sich über die komplette Kindheit bis zum Alter von 18 Jahren.
Phase 1 – Ordnung, Bewegung, Sprache – 0 bis 3 Jahre
In der ersten sensiblen Phase stehen die 3 genannten Bausteine im Mittelpunkt der kindlichen Entwicklung. Wird das Kind angemessen in der Phase unterstützt, erlernt es wichtige Element der Bewegung, Ordnung und Sprache:
Phase 2 – Bewusstsein und Vervollkommnung – 3 bis 6 Jahre
Der absorbierende Geist
Besonders in der ersten und zweiten sensitiven Phase nach Montessori beschreibt die Bildungspädagogin den absorbierenden Geist der Kinder.
Damit ist gemeint, dass Kinder in diesen Phasen „nebenbei“ lernen.
Sie hinterfragen nicht und treffen keine bewussten Lernentscheidungen. Sie saugen wie ein Schwamm alles Erlebte, Erfahrene und Erzählte auf und lernen automatisch.
Phase 3 – Moralisches Bewusstsein und abstraktes Denken – 6 bis 12 Jahre
In der dritten sensiblen Phase nach Montessori stehen keine großen Veränderungen an. Es handelt sich um die stabile Kindheitsphase.
Dennoch sind die Kinder besonders offen für bestimmte Themen:
Phase 4 – Wissenschaft, Gesellschaft und Politik – 12 bis 18 Jahre
Die Jugendjahre fasst Montessori in einer eigenen sensitiven Phase zusammen. Die Kinder sind in dieser Phase zwar schon recht selbstständig, beschäftigen sich aber mit Themen und Entwicklungsschritten:
Unterstützung in den sensiblen Phasen: Wie Eltern und Pädagogen begleiten können
- Das Wissen um die Montessori Phasen kann Eltern oder pädagogische Fachkräfte helfen, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg optimal zu begleiten.
- Das gelingt, in dem in den jeweiligen Lebensphasen der passende Rahmen angeboten wird.
- Geeignete Lernmaterial und Spielzeug wird zur Verfügung gestellt.
- Der Rahmen für Selbsterfahrungen wird geschaffen.
- Wenn wir an unser Beispiel zu Beginn denken, ist es also wichtig, dass in der ersten Phase der Sprachentwicklung viel mit dem Kind geredet und vorgelesen wird, um möglichst viele Spracherfahrungen zu sammeln.
- Ebenfalls in der ersten Phase ist der Raum für Bewegungen entscheidend.
- Eine Krabbeldecke wird ausgelegt, der Wohnraum gesichtert, ein Lauflernwagen platzieret. So wird nach und nach die freie Bewegung gefördert.
- In der zweiten Phase sollen möglichst alle Warum-Fragen fantasievoll beantwortet werden und Stifte und Papier stets in Griffweite liegen.
- In der dritten Phase ist das austesten verschiedener Hobbys wichtig.
- In der vierten Phase müssen Eltern ein verlässlicher Partner sein, der Geborgenheit gibt, aber auch loslassen kann.
- Diskussionen über Gesellschaft und Politik helfen auf dem Weg in die Selbstständigkeit.
- Die verschiedenen Signale des Kindes sind wichtige Taktgeber bei der Unterstützung in der Entwicklung.
- Kinder zeigen durch Nachfragen, Interesse und Ausprobieren, an welchen Themenfeldern sie gerade Interesse haben.
Montessori-Phasen in der Praxis: Die Signale der Kinder
Mein großer Sohn hat im Alter von etwa zweieinhalb Jahren sehr gerne mit kleinen Autos gespielt. Wir hatten eine ganze Spielkiste voll damit und ich konnte beobachten, dass er anhand dieser Fahrzeuge sowohl Sprache als auch Ordnung erlernt hat.
Je nach aktuellem Interesse haben wir gemeinsam die Autos nach Farbe, Länge oder Höhe sortiert. Wir haben die Autos in eine lange Schlange durch das ganze Wohnzimmer gestellt oder diese nach Thema (Rettungsfahrzeuge, Familienautos, Baustellenfahrzeuge, Landwirtschaftsmaschinen) sortiert.
Und es gab Phasen, in denen haben wir mit den Autos Rollenspiele gespielt und die Fahrzeuge haben miteinander gesprochen. Das Feuerwehrauto hat dem LKW von seinem letzten Einsatz erzählt oder die beiden Traktoren haben sich über die Ernte und das Wetter unterhalten.
Anhand des gleichen Spielmaterials hat sich mein Sohn also immer das Thema gewünscht, für das er gerade empfänglich war. Er hat mir damit gezeigt, wofür er sich gerade interessiert und ich bin den Weg einfach mitgegangen und habe ihn dabei unterstützt. Und ganz „nebenbei“ hat er dabei gelernt und seinen Entwicklungsschritt bewältigt.
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