Die Gewitterwolken verziehen sich, die Sonne kommt zum Vorschein. Die Kinder entdecken durch das Fenster einen schönen Regenbogen. Schnell flitzen alle hinaus in den Garten und bestaunen das bunte Farbenspiel.
Die Kinder stellen Fragen über die Entstehung des Regenbogens. Die ErzieherInnen erklären das Phänomen und schlagen ein Experiment dazu vor.
Schnell flitzen alle zurück in den Kreativraum und bereiten das Experiment vor. Drei Kinder haben den Vorschlag, einen Regenbogen zu malen. Die Fachkräfte stellen die Materialien zur Verfügung und geben dazu die Möglichkeit.
Mit diesem Beispiel sind wir mitten im Situationsansatz in der Kita. Aus Schlüsselsituationen entstehen pädagogische Angebote, Möglichkeiten und Gestaltungsfreiräume.
Der Situationsansatz in der Kita: Entstehung und Grundgedanke
Aus dem Beispiel der Einführung lässt sich der Grundgedanke der Situationspädagogik klar erkennen. Die pädagogischen Inhalte, Angebote und Maßnahmen leiten sich aus Schlüsselsituationen ab, die sich zufällig ergeben:
- der Regenbogen
- eine Maus auf dem Spaziergang
- die Jahreszeiten
- das aktuelle Wetter
- Geschehnisse der näheren Umgebung oder aus der Welt
… die Möglichkeiten sind nahezu unendlich.
Die ErzieherInnen sind dabei in der situativen Pädagogik in einer festgelegten Rolle: Sie begleiten die Kinder, beobachten und greifen zufällig entstehende Situationen auf.
Spielen zwei Kinder im Garten mit Regenwürmern, können sie versuchen, die Situation zu vertiefen und Anregungen zu geben. Werden diese angenommen, wird das Thema aufgegriffen. Zeigen die Kinder kein vertieftes Interesse, wird die Schlüsselsituation verworfen.
Der Grundgedanke, Schlüsselsituationen in der Kita pädagogisch aufzugreifen, stammt aus den 70er-Jahren vom Erziehungswissenschaftler Jürgen Zimmer. Der damalige Leiter der „Arbeitsgruppe Vorschulerziehung“ des deutschen Jugendinstituts wollte ein innovatives Konzept entwickeln, welches ein Gegenangebot zur damals vorherrschenden Belehrungspädagogik darstellte.
Im Mittelpunkt des pädagogischen Modells stehen drei Punkte:
Kinder sind selbstständig agierende Menschen, die über sich und ihre Handlungen und Lerninhalte (mit)bestimmen dürfen. Der autonome Rahmen für die Kinder sollte so groß wie möglich sein.
Die ErzieherInnen im situativen Konzept der Kita legen viel Wert auf die Vermittlung von Solidarität. Die Kinder sollen einander mit ihren Bedürfnissen wahr- und annehmen und sich mit ihren jeweiligen Stärken unterstützen.
Die Kinder werden als kompetente Menschen verstanden, die selbst Handlungen übernehmen können. Die Fachkräfte halten sich entsprechend zurück und schreiten nur ein, wenn dies unbedingt notwendig erscheint.
Alle Kinder sollen im situativen Konzept unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft in ihrer individuellen Entwicklung gefördert werden. Dabei entscheiden aber die Kinder selbst über die Themen und lernen in ihrem Tempo und nach ihrem Interesse.
Die Situationspädagogik zeichnet damit ein sehr aktives und selbstbestimmtes Bild von Kindern und fördert deren Eigenverantwortlichkeit. Die Kinder werden als selbstständig handelnde Menschen verstanden, die am realen Leben teilhaben und alleine dadurch gefördert werden.
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Die Situationspädagogik im Alltag: 16 Grundsätze
Abgeleitet aus den drei Grundgedanken des situativen Ansatzes in der Kita werden 16 Grundsätze benannt, die den Situationsansatz ausmachen.
- Ausgangspunkt ist die soziale und kulturelle Lebenssituation der Kinder und ihrer Familien.
- Das Erkennen und Aufgreifen von Schlüsselsituationen ist die pädagogische Kernaufgabe.
- Die Kinder erhalten Zugänge zu Wissen und Erfahrungen.
- Der Aufbau einer eigenen Geschlechteridentität soll ohne stereotype Geschlechtszuweisungen unterstützt werden.
- Das Spiel als Lernerfahrung wird unterstützt und angeregt.
- Ältere und jüngere Kinder werden zum Voneinander-Lernen angeregt.
- Die Kinder dürfen teilhaben und werden in Entscheidungen eingebunden.
- Die Gruppenregeln werden gemeinsam erarbeitet.
- Eine Ausgrenzung wird abgelehnt; ein offener Umgang mit soziokulturellen Verschiedenheiten wird angestrebt.
- Kinder mit und ohne Handicap werden mit ihren individuellen Stärken und Schwächen angenommen.
- Die Räume sind ansprechend und einladend gestaltet.
- Die ErzieherInnen gelten als Lehrende und Lernende zugleich.
- Die Eltern und ErzieherInnen stehen partnerschaftlich als Lern- und Förderbegleiter zur Verfügung.
- Der Sozialraum der Kinder wird eng in das pädagogische Konzept eingebunden.
- Die ErzieherInnen planen prozesshaft und analysieren Situationen.
- Die Kita bleibt flexibel und begreift sich selbst als lernende Organisation.
Im pädagogischen Alltag bedeutet die Anwendung des situativen Ansatzes im Kindergarten, dass ein offenes Konzept gelebt wird.
Die Kinder sind in ihren Gruppenräumen sehr frei in der Gestaltung des Kitaalltags. Es gibt keine festen Wochenpläne oder festgeschriebene Lern- und Förderziele.
Man kann sich den Situationsansatz in der Kita wie einen freien Tag vorstellen, an dem man sich zu Hause mit seinem Kind aufhält und sich von Flexibilität und spontanen Ideen leiten lässt. Dein Kind sieht die Kinderknete und hat Lust darauf: los geht’s!
Dann kommt die Sonne raus und ihr geht gemeinsam in den Garten. Dein Kind findet Kräuter und möchte in der Gartenküche kochen. Der Tag wird durch euch und eure Ideen gesteuert. Du greifst dabei mit deinem Kind Themen auf, sprichst über eure Entdeckungen und beantwortest seine Fragen.
Chancen und Grenzen der situativen Pädagogik
Der situative Ansatz mit dem Aufgreifen von Schlüsselsituationen wird in kleinerem oder größerem Rahmen in nahezu jeder Kita und bei euch zu Hause angewendet. Das geschieht alleine dadurch, dass man sich von den Ideen und der Neugier der Kinder leiten lässt.
In einem Kindergarten, der bewusst situativ arbeitet, wird diese Vorgehensweise aber ausschließlich und sehr bewusst durchgeführt.
Wenn du dich für einen Kindergarten mit situativem pädagogischen Konzept interessierst, dann lass dir den Tagesablauf der Einrichtung genau erklären und sieh dir gemeinsam mit deinem Kind den Alltag in der Kita an.
Auf diese Weise bekommst du ein gutes Gefühl dafür, ob die pädagogische Arbeit mit Schlüsselsituationen die richtige für dich und dein Kind ist.
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- Institut für den Situationsansatz: Der Situationsansatz ist ein anspruchsvolles und modernes pädagogisches Konzept, abgerufen am 25.10.2023
- herder.de: 40 Jahre Situationsansatz, abgerufen am 25.10.2023
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